Lesungstext 1Kor 1,22−25
Liebe Lobpreisgemeinde!
Auf meinem Handy hab ich als Hintergrund ein Jesusbild. Es stammt aus der Krypta der Abteikirche in Schweiklberg. Ich mach mich immer wieder gern auf die Suche nach besonderen Jesusbildern. Sie laden ein zum Nachdenken, meditieren und können manchmal neue Zugänge zu Jesus eröffnen. Zum Beispiel das Bild von Otto Pankok, Jesus zerbricht voller Zorn ein Gewehr; brutal aktuell angesichts der gegenwärtigen Kriege. Ein Lachender Jesus mit einem Fischernetz in der Hand; Hier eher witzig, Jesus der Freshmaker J (für Robert und seine Gruppe Fresh). Jesus Christ Superstar hat bei mir schon vor 50 Jahren, damals im Reliuntericht im Gymnasium, voll eingeschlagen. Das war ein Jesus, wie ich ihn mir gewünscht habe. Einer der attraktiv ist, die Leute anzieht, einer dem man in großer Menge zujubeln kann, zu dem man aufschauen kann, der Erfolg bei den Frauen hat, der weise ist, der alle liebt …
Aber da kommt heute Paulus in der Lesung daher und durchkreuzt all die schönen Bilder, die ich mir von Jesus gemacht habe.
„Wir dagegen verkünden Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit.
Dieser Jesus läuft mir doch etwas gegen den Strich. Das widerspricht den Erwartungen der meisten Menschen. Ich hatte eine Phase in meinem Glaubensleben, wo ich mit dem Kreuz in Form eines Crucifixes Probleme hatte. Ich hielt dieses Bild von Jesus für ziemlich einseitig und irreführend, weil es eher Leidverherrlichung und Masochismus ausdrückte als Erlösung. In unseren Herrgottswinkeln sollten doch andere Bilder hängen; vom Auferstandenen, vom Erlöser, Retter, Befreier oder Revolutionär….
Das Kreuz und der Gekreuzigte Christus! Sind aber zentraler Inhalt unseres Credos. Für Paulus und die Berufenen, wie gehört, Gottes Kraft und Weisheit.
Wie könnten wir dieser Weisheit des Kreuzes auf die Spur kommen?
Ein erster Gedanke
Wir denken und leben ja so gern logisch. Wir brauchen Argumente, gute Begründungen, damit uns etwas einleuchtet. Wenn uns etwas einleuchtet, dann bejahen wir es und richten uns danach! Das hat viel Gutes.
Ein Beispiel aus meiner persönlichen „Alltagslogik“ bei meinen Enkeln:
Wenn du brav aufisst, kriegst du noch was Süßes, darfst du noch ein Video schauen. Wenn du dein Spielzeug wegräumst, gibt es ein Eis…
Bei Eltern mit Schulkindern: Wenn du gute Noten nach Hause bringst, gibt es vielleicht mal ein Handy…
Und bei uns Erwachsenen im Beruf oder in der Partnerschaft ist es ähnlich: Wenn der Partner/in sich mal eine Lieblosigkeit leistet, dann bin ich beleidigt und sag halt mal einen Tag lang nichts mehr. Wenn ein guter Freund mal meinen Geburtstag vergisst, dann gratuliere ich ihm halt auch nicht mehr.
Diese Wenn – Dann Logik bestimmt doch ziemlich oft unser Verhalten. Und da drin versteckt sich zudem ein eher destruktives Strafe- Belohnungsdenken. Auf diese simple Strategie läuft es doch oft hinaus. Unsere Glaubenspraxis ist davon genauso geprägt: Etwas vereinfacht klingt das so: Wenn ich nur genug bete, dann muss Gott mich erhören. Wenn ich oft genug beichte, bete, in den Gottesdienst gehe…, dann wird Gott mich lieben.
Diese Logik ist Gott fremd. Das Evangelium und das Kreuz ist kein Wenn – Dann oder weil – darum — Satz!! Das Kreuz ist paradox, es durchkreuzt unsere Pläne, Vorstellungen und Logik. Auch theologische Theorien, wenn ich an Anselm von Canterbury denke und seine Satisfaktionslehre des Kreuzestodes Jesu. Es ist eher ein Ausrufezeichen oder ein Stoppschild. Deshalb mag ich Wegkreuze gern. Sie sind so eine Art paradoxer Intervention auf Spaziergängen oder Pilgerwanderungen. Der tschechische Philosoph und Priester Tomas Halik sagt „Glaube ist die Kunst mit dem Geheimnis und den Paradoxien des Lebens zu leben.“ Glaube braucht emotionale, empathische Intelligenz, nicht rationale Logik. Damit komme ich zum
Zweiten Gedanken
In unserer Küche hängt ein Kreuz mit Jesus als Gekreuzigten. Als unsere Enkelkinder im Alter von zwei oder drei Jahren dieses Kreuz entdeckten, begannen sie zu fragen: Wer ist das, warum blutet der, was ist passiert.
Wir erzählten die Geschichte von Jesus und die damals etwa dreijährige Mara meinte dann: „Da muss ein Pflaster drauf. Der kann nicht so bleiben.“ Und es wurde Pflaster geholt und die Wunden Jesu versorgt. Lange Zeit war unser gekreuzigter Heiland mit Heftpflaster verziert (Bild). Ein wunderbarer, naiver und ganz liebevoller Akt unsere Enkelkinder. Sie haben mir deutlich gemacht, dass das Kreuz uns alle zur Liebe ruft. So wie Paulus die zerstrittenen Korinther zur Einheit. Uns Passauer zur Liebe für alle Verwundeten, Gekreuzigten, Missbrauchten, allen denen Gewalt angetan wird in dieser Welt. Die Steyler Missionare haben in ihrem neuen Leitbild den schönen Satz: „Gerufen von der Liebe Christi, fühlen wir uns gedrängt, als Missionare des Göttlichen Wortes in den vielfältigen Wunden unserer Zeit etwas vom mitfühlenden Erbarmen Gottes in dieser Welt erlebbar zu machen.“
Der dritte Gedanke
Der Gekreuzigte ruft uns auf seinen Weg, einen Wandlungsweg. Der Kronzeuge dieses Weges ist Paulus selbst. Sein Damaskuserlebnis hat ihn umgedreht. Was auch immer da geschehen ist, aus dem Verfolger Saulus ist ein Nachfolger Paulus geworden. Er teilt in seinen Briefen sein Leben ein in ein „damals“ und „jetzt.“ Paulus hat geglaubt, er müsse sich moralische Reinheit und Würde erarbeiten, indem er die Gebote einhält, er müsse kontrollieren, ob jemand rechtgläubig ist und die Ungläubigen ausmerzen. Wieder diese falsche Logik. Er musste allen eigenen Plänen entsagen und loslassen. Das Gesetz erlöst nicht… Gerade im Loslassen (müssen) hat er erlebt, dass er gehalten ist von der Kraft Gottes. „von allen Seiten werden wir in die Enge getrieben und finden doch noch Raum. Wir wissen weder aus noch ein und verzweifeln dennoch nicht!“ (2Kor 4,8). Das meint er vielleicht mit der Kraft der Schwäche! Und ruft es eindringlich den Korinthern (und uns) zu: Lasst los: eure Rechthaberei, euren Egoismus, euer Misstrauen, eure Angst…Nur die leeren Hände, die wir Gott entgegenhalten, kann Gott auf seine Weise füllen. Einen Wandlungsweg haben wir auch am Aschermittwoch begonnen. Als ich das Aschenkreuz auf die Stirne bekam, ein bisschen schmierig und bröslig, und peinlicherweise gut sichtbar für die anderen Gottesdienstbesucher, war es mir unangenehm und wollte es eigentlich gleich wieder wegwischen. Ja, Asche und Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück, das ist das eine! „There is a crack in everything that‘s how the light gets in.“ In allen Dingen gibt es einen Bruch, einen Riss, einen Sprung, einen Widerspruch, aber gerade genau so kann das Licht kommen, singt L. Cohen in einem Lied. Das ist eben das andere: Das Licht und die Glut der Liebe, welche vom Kreuz ausgehen, können uns neu aufrichten und zum Leben erwecken. Mit Jesus — Bildern habe ich begonnen und mit einem letzten möchte meinen Impuls beenden: Marc Chagall, die weiße Kreuzigung.
Josef Veit